{"phaenomen":{"titel":"Neutrale Pronomen-Formen bei generischer Referenz","phid":"38","author":"Birkenes, Magnus Breder / Fleischer, Jürg","kurzbeschreibung":"<p class="bodytext">Werden Indefinitpronomen wie <i>jeder</i> und <i>keiner</i> nicht attributiv, sondern beispielsweise als eigenständige Subjekte oder Objekte verwendet, tritt in der Standardsprache häufig die maskuline Form auf, obwohl das Geschlecht der Person(en), auf die sich das Indefinitpronomen bezieht, nicht notwendigerweise männlich sein muss, vgl. (1). Neben dieser generischen Verwendung des Maskulinums finden sich in der heutigen Standardsprache auch nicht selten (zum Teil auf die schriftliche Verwendung beschränkte) Paarformeln, in denen die feminine und maskuline Form in verschiedener Art und Weise kombiniert werden, vgl. (2). Darüber hinaus tritt „gelegentlich” (Duden Grammatik 2016: 319) das Neutrum auf, vgl. (3). Nach Duden Grammatik (2016: 257) ist diese Verwendung des Neutrums allerdings „[v]eraltend oder regional”. </p><div class="indent"><div><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(1)</span> <i>jeder kann das <br /></i></p><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(2)</span> a. <i>jede und jeder kann das</i></p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>jede/jeder kann das </i></p><p class="csc-frame-frame1">c. <i>jede/r kann das </i></p><p class="csc-frame-frame1">d. <i>jedeR kann das</i></p></div><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(3)</span><i>Den Lunch bringt jedes selber mit. </i>(Internetbeleg; zit. nach Duden Grammatik 2016: 257)</p></div><p class="bodytext">Die durch Beispiel (3) illustrierte Konstruktion tritt auch in deutschen Dialekten auf. Bei dieser generischen Verwendung des Neutrums ist das Geschlecht der Person(en), auf die sich die neutrale Form bezieht, nicht bekannt bzw. irrelevant. </p>","detailbeschreibung":"<p class="bodytext">Die generische Verwendung des Neutrums, die sich vor allem bei Indefinitpronomen zeigt, wird in der grammatikographischen Literatur zum Deutschen nur selten thematisiert, wohl auch, weil sie im modernen Standard kaum vorkommt (vgl. Birkenes/Fleischer 2014). Sie ist für die älteren Sprachstufen des Deutschen, unter anderem für das (ältere) Neuhochdeutsche, jedoch belegt (vgl. z.B. Fleischer/Schallert 2011:&nbsp;119–120, Dal/Eroms 2014:&nbsp;188–189). Neutrale Formen treten einerseits in Kontexten auf, in denen das verschiedene Geschlecht der Personen, auf die mit dem Indefinitpronomen referiert wird, aus dem Kontext hervorgeht. Dies gilt etwa für das folgende Beispiel, in dem eine weibliche Ich-Erzählerin spricht: </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(4)</span><i>Jch und mein Mann bekamen einander je länger je lieber</i> / <i>und schetzte sich als das eine glückseelig</i> / <i>weil es das andere zum Ehe gemacht hatte </i>(Grimmelshausen; zit. n. Fleischer/Schallert 2011:&nbsp;120) </p></div><p class="bodytext">Daneben finden sich aber auch neutrale Formen von Indefinitpronomen ohne textuelle Referenz, die sich auf eine oder mehrere nicht näher bestimmte Personen beziehen: </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(5)</span><i>wie eins, das in einem schwankenden Schiffe steht </i>(Goethe; zit. n. Eroms/Dal 2014:&nbsp;188)</p></div><p class="bodytext">Hier stellt sich das interessante Problem, dass eine „kongruierende” Form eines Indefinitpronomens in einem Kontext auftritt, in dem kein (im Text auffindbarer) Auslöser für die Kongruenz-Form vorhanden ist. Beispielsweise in der Mundart von Lorsch ist in diesem Kontext das Neutrum eines Indefinitpronomens als Default-Form belegt:</p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(6)</span><i>s wɔ: kɔns do:</i><br />‘Es war niemand da.’ (Mottausch 2009:&nbsp;75)</p></div><p class="bodytext">In der deutschen Dialektologie, die sich bisher nur selten mit Kongruenz-Phänomenen auseinandergesetzt hat, ist dieses Phänomen noch kaum behandelt worden. Außer gelegentlichen Erwähnungen, unter anderem für alemannische Dialekte (vgl. etwa Hodler 1969: 282), das Bairische (vgl. etwa Merkle 1975: 152, Steininger 1994:&nbsp;41), aber auch für Dialekte Hessens (vgl. Mottausch 2009: 74–76), fehlen eingehende Untersuchungen. </p>","ergebnisse":"<p class="bodytext">In der speziell auf dieses Phänomen ausgerichteten Bewertungsfrage E3_23 wurden den Informanten die neutrale und die maskuline Form eines Indefinitpronomens im Kontext <i>wir haben lange gewartet, aber keins/keiner ist gekommen</i> zur Bewertung vorgelegt. Die folgenden Beispiele einiger von den Gewährspersonen notierter Varianten zeigen, dass neutrale Formen auch aktiv produziert werden. Das ist insgesamt 26-mal der Fall: </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(7)</span></p><p class="csc-frame-frame1">E3_23: von Gewährspersonen produzierte Varianten mit neutralem <i>keins</i> (Stimulus: <i>Wir haben lange gewartet, aber keins/keiner ist gekommen.</i>) </p><p class="csc-frame-frame1">a.<i> Mer hänn lang gewart, awer käns esch kumme.</i> (Niederhorbach_Niederhorbach_6) </p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>Mir ho lang gewoat, owwer es kaans kumme. </i>(Hirzenhain_Glashütten_4) </p><p class="csc-frame-frame1">c. <i>Mer hon lang gewoart, äwer ess is keins gekomme. </i>(Flieden_Magdlos_4) </p><p class="csc-frame-frame1">d.<i> Mä hun lange gewortet, awwer kens ess gekummen.</i> (Borken_Arnsbach_1)</p></div><p class="bodytext">Wie die Karte in (8) illustriert, zeigt sich eine klare areale Verteilung: Neben einigen wenigen nördlich(er)en Nennungen tritt das Neutrum überwiegend im Süden und im Zentrum, vor allem im mittleren Osten, auf. In diesen Gebieten wurde das Neutrum in einigen Orten auch in mindestens der Hälfte der Fälle oder sogar überwiegend genannt (Sinntal/Neuengronau: 4 von 4 Antworten/Informanten, Neuhof/Hauswurz: 4 von 5 Antworten/Informanten, Tann/Günthers: 3 von 4 Antworten/Informanten, Hauneck/Rotensee: 3 von 4 Antworten/Informanten). </p><p class="bodytext">[[(8) Neutrale und maskuline Formen des Indefinitpronomens: Frage E3_23:: E3_23]]</p><p class="bodytext">In der Bewertungsfrage E4_03 wurde versucht, das Indefinitpronomen <i>kein</i> in maskuliner und neutraler Form mit verschiedenen Typen der Relativsatz-Einleitung zu verbinden. Mit der maskulinen Form des Indefinitpronomens wurden eine maskuline Form des Relativpronomens (<i>ich kenne keinen, der noch nie krank war</i>) und das unflektierte <i>wo</i> (<i>ich kenne keinen, wo noch nie krank war</i>) vorgegeben, mit der neutralen Form des Indefinitpronomens zwei neutrale Formen des Relativpronomens (<i>ich kenne kein(e)s, das/was noch nie krank war</i>) und das unflektierte <i>wo</i> (<i>ich kenne kein(e)s, wo noch nie krank war</i>). Damit lagen den Gewährspersonen bei dieser Bewertungsfrage fünf verschiedene Alternativen vor (was ansonsten vermieden wurde, um die Gewährspersonen nicht zu überfordern; vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 17). Zusätzlich wurden in den eigenen Varianten zwei nicht vorgegebene weitere Typen produziert, bei denen eine neutrale Form des Indefinitpronomens mit einem maskulinen Relativpronomen verbunden wird, entweder ohne oder in Kombination mit <i>wo</i> (zweiteres nur ein einziges Mal). Diese beiden Typen, die durch die Kombination eines neutralen Indefinitpronomens mit einem maskulinen Relativpronomen gekennzeichnet sind, werden in dieser Auswertung (nicht jedoch in der Auswertung zur Relativsatz-Einleitung) zusammengefasst. Das gilt in gleicher Weise für die Typen mit neutralem Indefinit- und Relativpronomen (<i>keins, das/was</i>). Somit werden insgesamt fünf verschiedene Typen unterschieden. Diese werden durch die folgenden Beispiele eigenhändig notierter Antworten illustriert: </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(9)</span>Maskulines Indefinitpronomen + maskulines Relativpronomen: </p><p class="csc-frame-frame1"><i>äch kenn kenner, der noch nie kraank woar</i> (Biedenkopf_Engelbach_5)</p><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(10)</span><i>&nbsp;</i>Maskulines Indefinitpronomen + genusinsensitives <i>wo</i>:</p><p class="csc-frame-frame1"><i>Ich kenn koann, wu noch net kroangg woar.</i> (Flörsbachtal_Lohrhaupten_4)</p><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(11)</span></p><p class="csc-frame-frame1">&nbsp;Neutrales Indefinitpronomen + neutrales Relativpronomen (<i>das</i> oder <i>was</i>):</p><p class="csc-frame-frame1">a.<i> Ich kenn kaans, des noch nie krank war</i> (Mühlheim am Main_Mühlheim am Main_1) </p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>Isch kenn kons wos noch net krank wah.</i> (Freigericht_Horbach_7)</p><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(12)</span>&nbsp;Neutrales Indefinitpronomen + genusinsensitives <i>wo</i>:</p><p class="csc-frame-frame1"><i>Ich kenn koans, bu noch nie krank woar. </i>(Steinau an der Straße_Hintersteinau_2)</p><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(13)</span>&nbsp;Neutrales Indefinitpronomen + maskulines Relativpronomen (+ genusinsensitives <i>wo</i>): </p><p class="csc-frame-frame1">a. <i>Ech kenn käs, der noch nie krank wor.</i> (Lautertal_Engelrod_8) </p><p class="csc-frame-frame1">b.<i> Ich känn kains, dä bo noch nie kraank woar</i> (Nüsttal_Hofaschenbach_8)</p></div><p class="bodytext">Die areale Verbreitung der verschiedenen Typen zeigt die Karte in (14). Die dominierende maskuline Form des Indefinitums in Kombination mit einem maskulinen Relativpronomen ist mit Ausnahme des Südens und mittleren Ostens im gesamten Gebiet vertreten. Das maskuline Indefinitpronomen in Kombination mit unflektiertem <i>wo</i> findet sich vor allem im Süden, vereinzelt tritt dieser Typ jedoch auch in weit nördlich gelegenen Orten auf, was sich in anderen Aufgaben in Bezug auf die Relativsatz-Einleitung <i>wo</i> nicht bestätigen lässt. Insofern ist die Authentizität dieser Nennungen bei einer Aufgabe, die den Gewährspersonen mehr als üblich abverlangte, fraglich. Die Kombination des neutralen Indefinitpronomens mit einem der beiden neutralen Relativpronomen <i>das</i> und <i>was</i> weist eine gewisse Massierung vor allem im mittleren Osten des Untersuchungsgebiets auf, unter anderem mit einem Ort, in dem ausschließlich diese Variante gewählt wurde (Großenlüder/Müs: 4 von 4 Antworten/Informanten). Doch finden sich verstreute Nennungen fast überall in Hessen, jedoch nicht in den außerhessischen Vergleichsorten. Da sich eine so weite Verbreitung des neutralen Indefinitpronomens aus den anderen Fragen nicht bestätigen lässt, erscheint auch hier die Authentizität mancher Nennungen fraglich. Die neutrale Form des Indefinitpronomens in Kombination mit relativischem <i>wo</i> zeigt eine charakteristische areale Verbreitung: Von einigen wenigen nördlichen Nennungen abgesehen findet sich dieser Typ fast ausschließlich im Süden (einschließlich der drei südlichsten außerhessischen Orte) und im mittleren Osten des Untersuchungsgebiets. Bei der nicht vorgegebenen, aber zwölfmal genannten Kombination des neutralen Indefinitpronomens mit einem maskulinen Relativpronomen, wie sie in (13a) und (13b) illustriert ist, treten, von einer nördlichen Ausnahme abgesehen, sämtliche Belege im mittleren Osten auf. Da es sich hier ausschließlich um eigene Nennungen handelt, kann dieser Typ als authentisch angesehen werden. Er ist für die Forschung zu Kongruenz-Phänomenen von einigem Interesse: Offensichtlich ist hier die koreferente Kombination eines neutralen Indefinitpronomens mit einem maskulinen Relativpronomen möglich. </p><p class="bodytext">[[(14) Neutrale und maskuline Formen des Indefinitpronomens: Frage E4_03:: E4_03]]</p><p class="bodytext">Bei der für die areale Distribution von Perfekt und Präteritum konzipierten Übersetzungsfrage E2_08, in der der Satz <i>mit den Sachen wollte keiner mehr spielen</i> übersetzt werden sollte, ergibt eine Sekundärauswertung auch für die Verwendung neutraler Formen des Indefinitpronomens relevante Resultate. Wie die folgenden Belege zeigen, wurden von den Gewährspersonen in manchen Fällen neutrale Formen von <i>kein</i> notiert. </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(15)</span>&nbsp;E2_08: von Gewährspersonen produzierte Varianten mit neutralem <i>keins </i>(Stimulus: <i>mit den Sachen wollte keiner mehr spielen</i>)</p></div><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1">a. <i>Mit dene oalde Sache hot koans mej spiele wolle </i>(Bad König_Zell_2) </p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>mit denne Sache hot kons me g’schbielt do hewwischse de Caritas g’schenkt. </i>(Gorxheimertal_Unter-Flockenbach_6) </p><p class="csc-frame-frame1">c. <i>mit dem Werk wollt kas me spieln </i>(Ulrichstein_Ulrichstein_4) </p><p class="csc-frame-frame1">d. <i>Mit däne Sache wollt käins me spiel. </i>(Hilders_Eckweisbach_1) </p><p class="csc-frame-frame1">e. <i>Mit dähne Sache wollt doch keins me spiel. </i>(Großenlüder_Müs_1) </p><p class="csc-frame-frame1">f. <i>Mit dene alle Sache well koas me spiel. </i>(Steinau an der Straße_Hintersteinau_2)</p></div><p class="bodytext">Wie die Karte in (16) zeigt, dominiert insgesamt das Maskulinum, doch finden sich neutrale Formen einerseits im Süden, andererseits in mehreren Orten im Zentrum und vor allem im mittleren Osten Hessens. Dabei machen sie in einigen Orten die Hälfte oder mehr aller Antworten aus (z.B. Ehrenberg/Wüstensachsen: 4 von 5 Antworten/Informanten, Fulda/Kämmerzell: 3 von 5 Antworten/Informanten).</p><p class="bodytext">[[(16) Neutrale und maskuline Formen des Indefinitpronomens: Frage E2_08:: E2_08]]</p><p class="bodytext">In der für das Auftreten des indefiniten Artikels bei Kontinuativa bestimmten Aufgabe E3_19 wurden dialektale Entsprechungen zum Indefinitpronomen <i>jemand</i> (im Kontext: <i>Will noch jemand (ein) Salz?</i>) verwendet. Dabei wurden – in Abhängigkeit von der Region und aufgrund der Rückmeldungen zu früheren Erhebungsrunden bzw. Pretests –&nbsp;verschiedene (Formen von) Indefinitpronomen vorgegeben, neben <i>jemand</i> und <i>wer</i> auch <i>einer</i>, letzteres vor allem in auf das Zentralhessische, Osthessische und angrenzende Gebiete ausgerichteten Fragebogen-Versionen. In den von den Gewährspersonen notierten Varianten finden sich auch Belege für eindeutig neutrale Formen. Da jedoch bei dieser Frage auch zahlreiche Pronomen auftreten, die (wie <i>jemand</i>) keine morphologische Genus-Distinktion am Pronomen selbst aufweisen, ist eine flächendeckende Kartierung aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsbedingungen nicht sinnvoll. Unter (17) werden jedoch die zwölf Antworten angeführt, in denen eindeutig neutrale Formen von <i>ein</i> auftreten. Die entsprechenden Belege stammen neben einem Ort im Süden (Gorxheimertal/Unter-Flockenbach) und einem östlichen außerhessischen Ort (Hendungen/Rappershausen) allesamt aus dem mittleren Osten Hessens. </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(17)</span>&nbsp;E3_19: von Gewährspersonen produzierte Varianten mit neutralem <i>eins </i>(Stimulus: <i>Will noch jemand (ein) Salz?</i>)</p><p class="csc-frame-frame1">a. <i>braucht noch ons e bissl Salz </i>(Gorxheimertal_Unter-Flockenbach_6) </p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>Well noch ais (einer) Salz</i> (Lauterbach_Maar_2) </p><p class="csc-frame-frame1">c.<i> Well noch äis Salz?</i> (Lauterbach_Maar_1) </p><p class="csc-frame-frame1">d. <i>Well noch äns Salz?</i> (Ehrenberg_Wüstensachsen_2) </p><p class="csc-frame-frame1">e. <i>Well noch einz e weg Soalz?</i> (Tann_Günthers_2) </p><p class="csc-frame-frame1">f. <i>Well ees noch Saalz dezu? </i>(Alsfeld_Eifa_2) </p><p class="csc-frame-frame1">g. <i>Well noch es Saalz? </i>(Alsfeld_Eifa_3) </p><p class="csc-frame-frame1">h. <i>Well noch ees ewink Soalz?</i> (Alsfeld_Leusel_3) </p><p class="csc-frame-frame1">i. <i>Will noch aans ee bissel Soals hou.</i> (Lindenfels_Schlierbach_8) </p><p class="csc-frame-frame1">j. <i>Will noch enes Saalz ho?</i> (Eiterfeld_Großentaft_1) </p><p class="csc-frame-frame1">k. <i>Will noch es Saalz? </i>(Hendungen_Hendungen_1) </p><p class="csc-frame-frame1">l. <i>Will noch äs nochwörz? </i>(Hendungen_Rappershausen_2)</p></div><p class="bodytext">Aus dem Vergleich der vier Fragen ergibt sich, dass neutrale Indefinitpronomen vor allem im Süden, Zentrum und Osten des Untersuchungsgebiets auftreten. Diese Regionen kristallisieren sich neben den nicht kartierten Belegen der Sekundär-Auswertung von Aufgabe E3_19 bei den Kartierungen der Bewertungsfrage E3_23, der Übersetzungsfrage E2_08 und der Bewertungsfrage E4_03 heraus. Dies illustriert der Kartenvergleich in (18). </p><p class="bodytext">[[(18) Neutrale Formen des Indefinitpronomens: Aufgaben im Vergleich:: E3_23 E2_08 E4_03]] </p><p class="bodytext">Das Verbreitungsgebiet neutraler Formen erscheint bei der Bewertungsaufgabe E3_23 größer als bei der Übersetzungsaufgabe E2_08. Dabei ist die aus der Übersetzungsaufgabe hervorgehende Verbreitung des Neutrums im Verbreitungsgebiet des Neutrums der Bewertungsaufgabe E3_23 enthalten, es ergibt sich somit ein Kerngebiet. Diese unterschiedliche Ausdehnung der Verbreitung passt zu der generellen Beobachtung, dass dialektale Formen bei Übersetzungsaufgaben weniger häufig auftreten als bei Bewertungsaufgaben (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 28–30). Keine völlig klaren Resultate ergeben sich dagegen bei der Bewertungsfrage E4_03, die mit ihren fünf vorgegebenen Alternativen die Gewährspersonen wohl überfordert hat. Auch hier lässt sich allerdings eine gewisse Massierung im Zentrum und v.a. im Osten des Untersuchungsgebiets erkennen.&nbsp; </p><p class="bodytext">Bei der Übersetzungsfrage E2_08 liegt vom gegebenen Kontext (weggegebenes Spielzeug, mit dem niemand mehr spielen wollte) Bezug auf ein oder mehrere Kinder vor, weshalb vermutet werden kann, dass die neutrale Form hier näher liegt als bei Bezug auf erwachsene Personen. Wäre dieser Bezug jedoch entscheidend für die Wahl der Genus-Form, wäre nicht zu erwarten, dass die areale Verbreitung der neutralen Formen sich bei dieser Aufgabe mit der arealen Verbreitung, wie sie sich etwa aus Frage E3_23 ergibt, bei der kein Bezug auf Kinder vorliegt, deckt. </p><p class="bodytext">Neutrale Formen des Indefinitipronomen bei generischer Referenz sind areal nahezu vollständig komplementär zum Auftreten neutraler Formen des Personalpronomens (und anderer anaphorisch verwendeter Pronomen) bei Bezug auf das Substantiv <i>Mädchen</i> (vgl. dazu die <a href="/apps/atlas/#hybrid-noun-maedchen" title="Opens external link in new window" target="_blank" class="external-link-new-window">eigene Auswertung</a>) und bei der Bezeichnung von Personen (vgl. dazu die <a href="/apps/atlas/#neutrale-kongruenzformen" title="Opens external link in new window" target="_blank" class="external-link-new-window">eigene Auswertung</a>). Eine tentative Erklärung dafür könnte sein, dass verschiedene Funktionen des Neutrums – generische Verwendung beim Indefinitpronomen vs. Referenz auf weibliche Pesonen – einander ausschließen. Dies würde bedeuten, dass dem Neutrum in verschiedenen dialektalen Systemen ein unterschiedlicher sprachlicher Wert zukommt. </p>","erlaeuterung":"<p class="bodytext">Daten zum Auftreten neutraler pronominaler Formen in generischen Kontexten können aus vier Fragen der indirekten Erhebung gezogen werden. In einer Bewertungsfrage (E3_23) wurden nur zwei Varianten (maskulines <i>keiner</i> und neutrales <i>keins</i>) vorgegeben. In einer weiteren Bewertungsfrage (E4_03) wurde versucht, das Genus des Indefinitpronomens zusammen mit der Relativsatz-Einleitung (die in großen Teilen des Untersuchungsgebiets, aber nicht überall, durch ein genus-sensitives Pronomen geleistet wird; vgl. dazu die <a href="/apps/atlas/#relativsatz-einleitung" title="Opens external link in new window" target="_blank" class="external-link-new-window">separate Auswertung zur Relativsatz-Einleitung</a>) abzufragen. Dabei wurden insgesamt fünf verschiedene Varianten vorgegeben. Sekundär-Auswertungen erlauben außerdem die Übersetzungsfrage E2_08 und, in stark beschränktem Umfang, die Bewertungsfrage E3_19, mit denen primär andere Phänomene erhoben wurden.&nbsp;&nbsp; </p>","literatur":["<p class="bodytext">Birkenes, Magnus Breder/Jürg Fleischer (2014): Intetkjønn entall med referanse til personer i nynorsk og tysk: to ulike normeringstradisjoner. In: Orð og tunga 16: 25–46.</p>","<p class="bodytext">Dal, Ingerid/Hans-Werner Eroms (2014): Kurze deutsche Syntax auf historischer Grundlage. 4. Auflage. Neu bearbeitet von Hans-Werner Eroms. Berlin/Boston: De Gruyter.</p>","<p class="bodytext">Duden (2016): Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. Herausgegeben von der Dudenredaktion. 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. (Duden 4.) Berlin: Dudenverlag.</p>","<p class="bodytext">DWA 20: Deutscher Wortatlas. Von Walther Mitzka und Ludwig Erich Schmitt. Band 20 redigiert von Reiner Hildebrandt. Gießen: Schmitz.</p>","<p class="bodytext">Fleischer, Jürg/Simon Kasper/ Alexandra N. Lenz (2012): Die Erhebung syntaktischer Phänomene durch die indirekte Methode: Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt „Syntax hessischer Dialekte“ (SyHD). In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 79: 2–42.</p>","<p class="bodytext">Fleischer, Jürg/Oliver Schallert (2011): Historische Syntax des Deutschen: eine Einführung. Tübingen: Narr.</p>","<p class="bodytext">Hodler, Werner (1969): Berndeutsche Syntax. Bern: Francke.</p>","<p class="bodytext">Merkle, Ludwig (1975): Bairische Grammatik. München: Heimeran. [Nachdruck 1990]</p>","<p class="bodytext">Mitzka, Walther (1939): Der Fragebogen zum Deutschen Wortatlas. In: Zeitschrift für Mundartforschung 15: 105–111.</p>","<p class="bodytext">Mottausch, Karl-Heinz (2009): Historische Syntax des Südhessischen auf der Grundlage der Mundart von Lorsch. (Philologia 137.) Hamburg: Kovač.</p>","<p class="bodytext">SHWB = Südhessisches Wörterbuch (1965–2010). Begründet von Friedrich Maurer. Nach den Vorarbeiten von Friedrich Maurer, Friedrich Stroh und Rudolf Mulch, bearbeitet von Rudolf Mulch und Roland Mulch. Marburg: Elwert.</p>","<p class="bodytext">Steininger, Reinhold (1994): Beiträge zu einer Grammatik des Bairischen auf der Grundlage von kommentierten Texten aus Oberneureutherwaid im unteren Bayerischen Wald. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik Beihefte 85.) Stuttgart: Steiner.</p>",""],"verteilung":"<p class="bodytext"> Bisher existieren kaum Beschreibungen zur arealen Verbreitung neutraler pronominaler Formen bei unbestimmter Referenz. Für den „Deutschen Wortatlas“ (DWA), der praktisch das gesamte deutschsprachige Gebiet (ohne Deutschschweiz) abdeckt, wurden aber zwei negative Indefinitpronomen in Satzkontexten erfragt: <i>da war niemand zu sehen</i> (193) und <i>im Nebel war keiner zu sehen</i> (198; vgl. Mitzka 1939: 109 bzw. 110). Zwar existieren zu beiden Fragekontexten keine publizierten DWA-Karten, doch erlauben nicht fertig ausgearbeitete Kartenskizzen im Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas Marburg, auf die in DWA (20: unpaginiertes Verzeichnis „Die Karten des deutschen Wortatlas“, dort unter „c) ungedruckte Karten“) verwiesen wird, gewisse Aussagen zur arealen Verbreitung neutraler Formen von <i>kein</i>. In beiden Karten zeigt sich (mit im Detail abweichenden Verbreitungen), dass neutrales <i>kein(e)s </i>besonders häufig im nordöstlichen Westmitteldeutschen auftritt (v.a. im nordöstlichen Rheinfränkischen, im südlichen Zentralhessischen, im Osthessischen und im südöstlichen Nordhessischen), teilweise auch in den östlich angrenzenden oberdeutschen und ostmitteldeutschen Gebieten. Darüber hinaus ist neutrales <i>kein(e)s</i> in drei peripheren kleineren Gebieten, und zwar einem südlichen südbairischen (um Sillian und Lienz), einem westlichen schlesischen (östlich von Görlitz) und einem nordwestlichen ostpommerschen (nordöstlich von Stettin) belegt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in vielen Gebieten anstelle von <i>kein</i> das Pronomen <i>niemand</i> auftritt, bei dem keine Genusformen existieren. Insofern erlauben die beschriebenen Karten keine generellen Aussagen zum Auftreten neutraler Formen bei Indefinitpronomen. </p><p class="bodytext">Für Hessen ist das Auftreten neutraler Formen in weiteren Quellen dokumentiert. Im Südhessischen Wörterbuch (SHWB III:&nbsp;1243) werden Belege für die Orte Nieder-Roden (Kreis Dieburg), Groß-Bieberau (Kreis Dieburg), Zell (Kreis Erbach) sowie aus der Mundartliteratur, u.a. aus dem Odenwald und aus einem Werk des Darmstädter Mundartdichters Ernst Elias Niebergall (1815–1843), angeführt. Mottausch (2009: 74–76) belegt das Phänomen insbesondere für Lorsch und weitere südliche Gebiete und führt auch ältere Belege an. Die oben diskutierten Beispiele (4) und (5) aus dem (älteren) Neuhochdeutschen zeigen, dass sich das Phänomen bei Grimmelshausen und Goethe belegen lässt. Bei beiden Schriftstellern sind Einflüsse aus hessischen Varietäten durchaus denkbar.</p>","pdfname":"SyHD-atlas_2017_Neutrale_Pronomen-Formen.pdf"}}