{"phaenomen":{"titel":"Reflexivpronomen <i>sich</i> bei 1. Pers. Plural","phid":"33","author":"Fleischer, Jürg","kurzbeschreibung":"<p class="bodytext">In der Standardsprache ist das Reflexivpronomen <i>sich</i> auf die 3. Person (Singular und Plural) beschränkt. Bei einem Subjekt der 1. und 2. Person treten stattdessen die jeweiligen Formen des Personalpronomens auf:</p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"> <span class="grayleft">(1)</span> a. <i>er wäscht sich<b>&nbsp;</b></i></p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>sie waschen sich</i></p><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(2)</span>a.<i> wir waschen uns/*sich</i>&nbsp;</p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>du wäschst dich/*sich</i></p></div><p class="bodytext">In bestimmten deutschen Mundarten kann das Reflexivpronomen <i>sich</i> dagegen auch bei einem Subjekt der 1. Person Plural auftreten, teilweise auch bei weiteren Personen.</p>","detailbeschreibung":"<p class="bodytext">Das Reflexivpronomen <i>sich</i> bei einem Subjekt der 1. Person Plural wird in folgenden Belegen aus dem Gebiet Hessens illustriert: </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(3)</span>a. <i>Mer setze s</i>[<i>ich</i>] (Alt-Wiesbaden; HNWB III:&nbsp;585)&nbsp;<br />wir setzen sich ‘Wir setzen uns.’ </p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>Ja, bos hom me sich gfroe draof!</i> (Hintersteinau; Müller 1958: 15, mit Fußnote 55)<br />ja, was haben wir sich gefreut darauf ‘Ja, was haben wir uns gefreut darauf!’ </p><p class="csc-frame-frame1">c. <i>Da setzen wir sich abends mit ein paar Mann in den Keller und dann wird der Zwetschgenhonig gekocht</i>. (Medenbach; ZW1G7)</p></div><p class="bodytext">Auffällig ist, dass die Ausdehnung des Reflexivpronomens <i>sich</i> meist nur die 1. Person Plural betrifft; in der 1. Person Singular und in der 2. Person treten stattdessen Personalpronomen auf. Ausdehnung von <i>sich</i> über die 1. Person Plural hinaus ist für bestimmte nordniederdeutsche Dialekte bekannt (Dithmarsisch; vgl. Grimme 1922: 118–119, Jörgensen 1928: 17, Jørgensen 1934: 101, Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch IV: 492, Niebaum 1973: 165) und kann darüber hinaus auch für preußische Mundarten belegt werden (vgl. Preußisches Wörterbuch V: 648), in den folgenden niederpreußischen Beispielen etwa – neben der ebenfalls belegten 1. Person Plural – für eine 2. Person Plural: </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(4)</span> a.<i> Un denn send wi wedder torick un häbbe sech denn ok verafscheedt von de Fruu </i>(Goltz/Schröder 1997: 314) <br />und dann sind wir wieder zurück und haben sich dann auch verabschiedet von der Frau ‘Und dann sind wir wieder zurück und haben uns dann auch verabschiedet von der Frau.’ </p><p class="csc-frame-frame1">b. <i>Moakt sech nich dreckig un paßt op, dat ju sech nich dat Kleed terriete!</i> (Goltz/Schröder 1997: 116)<br />macht sich nicht dreckig und passt auf, dass ihr sich nicht das Kleid zerreißt ‘Macht euch nicht dreckig und passt auf, dass ihr euch nicht das Kleid zerreißt!’</p></div><p class="bodytext">Außerhalb des Deutschen ist die Verwendung von <i>sich</i> bei sämtlichen Personen für bestimmte ostjiddische Dialekte belegt (vgl. etwa Krogh 2001: 51–52). </p><p class="bodytext">Für die meisten deutschen Dialekte ist die Ausdehnung von <i>sich</i> jedoch, wenn sie überhaupt auftritt, auf die 1. Person Plural beschränkt. Die ausschließliche Ausdehnung eines Pronomens der 3. Person in die 1. Person Plural wird teilweise mit einer lautlichen Eigenheit in Verbindung gebracht: Die Pronomen <i>man</i> und <i>wir</i> sind in vielen hochdeutschen Mundarten, wahrscheinlich aufgrund einer Assimilation von <i>w-</i> zu <i>m-</i> in der Wackernagel-Position, zum Teil wohl auch aufgrund analogischer Prozesse, ganz oder in bestimmten Positionen zusammengefallen (vgl. Schirmunski 1962: 453). Allerdings wäre, wenn dieser pronominale Zusammenfall allein und ausschließlich für die Ausdehnung von <i>sich</i> in die 1. Person Plural verantwortlich wäre, eine wesentlich weitere areale Verbreitung des Phänomens zu erwarten, als sie tatsächlich festzustellen ist. Umgekehrt tritt <i>sich</i> bei einer 1. Person Plural auch in Gebieten auf, die den Übergang von <i>w-</i> zu <i>m-</i> bei <i>wir</i> nicht kennen (vgl. Berndt 1912: 8, der ein einziges entsprechendes Beispiel anführt; auch im SyHD-Material lässt sich dies belegen, vgl. Beispiel (7f) weiter unten). </p><p class="bodytext"> Die Herleitung von <i>sich</i> aus der alten Akkusativform der 1. Person Plural <i>unsich</i>, die unter anderem Behaghel (1923: 305) vorschlägt, erscheint problematisch, weil die entsprechende Form nach Paul (2007: 212 = § M 49, Anm. 5) schon im 12. bzw. 13. Jahrhundert weitgehend geschwunden war (vgl. Stangel 2015: 107). Nach dem „Sprachatlas des Deutschen Reichs” (WA) treten entsprechende Formen ausschließlich im niederdeutschen Gebiet auf (vgl. Wenker [1899] 2013: 579–580, <a href="http://regionalsprache.de/SprachGis/Map.aspx?shortUrl=PAfMPXhV" title="Opens external link in new window" target="_blank" class="external-link-new-window">WA Karte 331</a>). In den SyHD-Fragebogen wurde diese Form, falls sie für eine Region dokumentiert war, vorgegeben. In einigen Fällen wurde sie von den Gewährspersonen in eigenen Antworten auch aktiv notiert, etwa im folgenden ostfälischen Beispiel: </p><div class="indent"><p class="bodytext"><span class="grayleft">(5)</span> <i>Ek bin de Erwin. Wei duzet össek jetzt </i>(E3_05; Oberweser_Heisebeck_1)<br />‘Ich bin der Erwin. Wir duzen uns jetzt.’</p></div><p class="bodytext">Das Pronomen <i>sich</i> wird zwar an diesem Ort nie als eigene Variante notiert, jedoch mehrfach akzeptiert (das gilt auch für zwei benachbarte Orte), sodass hier ein Zusammenhang zwischen der langen Akkusativ-Form <i>unsich</i> und <i>sich</i> in der 1. Person Plural nicht ausgeschlossen werden kann. Im Kerngebiet der Verbreitung, das sich aus den SyHD-Daten ergibt, gibt es jedoch keinerlei Hinweise auf die alte Akkusativ-Form.</p><p class="bodytext">Das hier behandelte Phänomen wird für bairische Mundarten bisweilen als eine grammatische Entlehnung aus dem Slavischen (insbesondere Tschechischen), wo das Reflexivpronomen mit sämtlichen Personen (also auch mit der 1. Person Singular und der 2. Person) auftreten kann, erklärt, was jedoch für die Mundarten Hessens (und für viele weitere Gebiete) nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus hat dieser Ansatz das Problem, dass die Beschränkung der Ausdehnung nur auf die 1. Person Plural nicht befriedigend erklärt werden kann (vgl. Stangel 2015: 106–107). Ob die von Stangel (2015: 111) für bairische Varietäten vorgeschlagene Erklärung, dass klitisches <i>sich</i> neben volles <i>uns</i> tritt, auch auf westmitteldeutsche Dialekte übertragen werden kann, erscheint unsicher, da hier die pronominalen Paradigmen in der Regel anders strukturiert sind als im Oberdeutschen (vgl. Stangel 2015: 105–114 für eine Darstellung und weitere mögliche Erklärungen des Phänomens).</p>","ergebnisse":"<p class="bodytext">Die Karte in (6) illustriert die areale Verbreitung der Formen <i>sich</i> und <i>uns</i>. Dabei ergeben sich relativ klare Areale: Neben einigen Ortspunkten im Norden Hessens tritt <i>sich</i> vor allem im Zentrum und einigen daran anschließenden südlichen Orten auf. In den außerhessischen Orten wurde <i>sich</i> nie akzeptiert. In etwas mehr als einem Duzend Orten, allesamt im oder nahe beim (westlichen) zentralhessischen Gebiet, liegt der relative Anteil von <i>sich</i> bei der Hälfte aller Antworten oder höher (etwa Wetzlar/Blasbach: 3 von 5 Antworten/Informanten, Grünberg/Göbelnrod: 4 von 5 Antworten/Informanten, Mücke/Merlau: 2 Antworten/Informanten, Bischoffen/Niederweidbach: 3 Antworten/Informanten). </p><p class="bodytext">[[(6) Reflexivpronomen <i>sich</i> bei einem Subjekt der 1. Person Plural:: E3_05]]</p><p class="bodytext">Das Zentralhessische stellt ein geographisches Zentrum des Reflexivpronomens <i>sich</i> bei einem Subjekt der 1. Person Plural dar. Trotz der Angabe des Hessen-Nassauischen Volkswörterbuchs, dass <i>sich</i> zunehmend durch <i>uns</i> ersetzt werde (vgl. HNWB III: 85), lässt sich das Phänomen auch im SyHD-Material nach wie vor belegen. Dass das Phänomen aber nicht weit verbreitet ist, ergibt sich unter anderem daraus, dass einige Gewährspersonen das vorgegebene Pronomen <i>sich</i> zu <i>uns</i> korrigierten (Edertal_Affoldern_2, Oberweser_Oedelsheim_1, Oberweser_Oedelsheim_2). Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Konstruktion an den entsprechenden Orten gar nicht verankert ist. Insgesamt deckt sich das Verbreitungsgebiet, wie es sich aus unseren Materialien ergibt, mit den Angaben aus der älteren Literatur relativ gut. Unbekannt war bisher allerdings, dass das Phänomen nördlich der hessischen Dialektverbände auch in südlichen niederdeutschen Mundarten aufzutreten scheint (Wolfhagen/Istha: 1 von 6 Antworten/Informanten, Liebenau/Ostheim: 2 von 4 Antworten/Informanten, Trendelburg/Deisel: 1 von 4 Antworten/Informanten, Oberweser/Oedelsheim: 3 von 10 Antworten/Informanten). Dass die Konstruktion in diesem niederdeutschen Gebiet verbreitet ist, erhärtet sich dadurch, dass Formen von <i>sich</i> dort auch aktiv produziert wurden (vgl. 7f).&nbsp; </p><p class="bodytext">Die Frage E3_05 provozierte 387 von den Gewährspersonen aktiv hingeschriebene Varianten. In immerhin insgesamt 21 Fällen wurde dabei eine Variante mit <i>sich</i> produziert, was ein klarer Hinweis auf die Verankerung von <i>sich</i> in den entsprechenden dialektalen Systemen ist: </p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(7)</span>E3_05: von Gewährspersonen produzierte Varianten mit <i>sich </i>(Stimulus: <i>wir duzen sich/uns hier</i>) </p><p class="csc-frame-frame1">a. <i>Eisch sein der Erwin. Mir duze sisch häj</i> (Beselich_Heckholzhausen_4) </p><p class="csc-frame-frame1">b.<i> Eich soi de Erwin. Mir duze sich häi. </i>(Nidda_Borsdorf_5) </p><p class="csc-frame-frame1">c.<i> Eich soi de Erwin. Mer duze sich häi.</i> (Gießen_Allendorf_Lahn_2) </p><p class="csc-frame-frame1">d.<i> Aich sai der Erwin. Mer duze sich häi. </i>(Dautphetal_Herzhausen_1) </p><p class="csc-frame-frame1">e. <i>Ech sei der Erwin. Mir duze sich häe.</i> (Haiger_Offdilln_4) </p><p class="csc-frame-frame1">f.<i> Ik sihe de Erwin. Wie duzet sik hier </i>(Trendelburg_Deisel_7)</p></div><p class="bodytext">In diesen Belegen treten meistens Formen des Subjektpronomens mit einem anlautenden <i>m</i>- auf. Dies ist jedoch nicht überall der Fall, wie das niederdeutsche Beispiel (7f) zeigt. Hier gilt die von Schirmunski (1962: 453) angenommene Korrelation des Auftretens von <i>sich</i> in der 1. Person Plural mit dem Übergang von <i>w-</i> zu <i>m-</i> beim Subjektpronomen der 1. Person Plural also nicht. </p><p class="bodytext">In einigen Fällen wurde von den Gewährspersonen eine eigene Variante hingeschrieben, in der das Verb in der 3. Person Singular steht und die deshalb nicht als ‘wir duzen uns hier’, sondern als ‘man duzt sich hier’ aufzufassen ist. Deshalb stellen entsprechende Beispiele keine Belege für die Ausdehnung des Pronomens <i>sich</i> in die 1. Person Plural dar (und wurden nicht gewertet). Derartige Beispiele können jedoch als Indiz dafür angeführt werden, dass die Pronomen <i>wir</i> und <i>man</i> einander in diesen Dialekten gegenseitig beeinflussen. Dies könnte, wie oben diskutiert, für die Ausdehnung von <i>sich</i> in die 1. Person Plural (aber nicht darüber hinaus) eine Rolle gespielt haben.</p><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1"><span class="grayleft">(8)</span> E3_05: von Gewährspersonen produzierte Varianten mit <i>man</i> + <i>sich </i>(Stimulus: <i>wir duzen sich/uns hier</i>) </p></div><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1">a. <i>Ech sei de Erwin. Me duzt sich hai.</i> (Lollar_Ruttershausen_4) </p></div><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1">b. <i>Eich sein de Erwin. Mer duzt sich häi.</i> (Grävenwiesbach_Naunstadt_4) </p></div><div class="indent"><p class="csc-frame-frame1">c. <i>Eich soi de Erwin. Häi duzt mer sich.</i> (Gießen_Allendorf_Lahn_1)</p></div><p class="bodytext">Die Frage, worin die Ausdehnung von <i>sich</i> begründet ist, muss nach wie vor offen bleiben. Möglich scheint, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen (und dass den verschiedenen Faktoren in verschiedenen dialektalen Systemen ein unterschiedlich großes Gewicht zukommt). </p>","erlaeuterung":"<p class="bodytext">Das Phänomen, bei dem aufgrund der oben zitierten Angabe davon auszugehen war, dass es im Rückgang begriffen ist, wurde nur indirekt im Rahmen einer Bewertungsfrage (E3_05) erhoben. Die Gewährspersonen sollten angeben, ob sie <i>wir duzen sich hier</i> und <i>wir duzen uns hier </i>akzeptieren bzw. präferieren. Als Stimulus wurde ein Satz, der in der Literatur belegt ist, leicht adaptiert: <i>Mer duze sich jo</i> (FFWB: 2911, für Sachsenhausen).&nbsp;</p>","literatur":["<p class="bodytext">Behaghel, Otto (1923): Deutsche Syntax: eine geschichtliche Darstellung. Band I: Die Wortklassen und Wortformen. A: Nomen, Pronomen. Heidelberg: Winter.</p>","<p class="bodytext">Berndt, Carl (1912): Die verba reflexiva in den deutschen Mundarten. Gießen: Kindt. [Dissertation]</p>","<p class="bodytext">Dellit, Otto (1913): Die Mundart von Kleinschmalkalden (Laut- und Formenlehre, Syntax und Wortschatz). Marburg: Elwert.</p>","<p class="bodytext">FFWB = Frankfurter Wörterbuch (1971–1988). Aufgrund des von Johann Joseph Oppel und Hans Ludwig Rauh gesammelten Materials herausgegeben vom Institut für Volkskunde der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main in Verbindung mit der Frankfurter Historischen Kommission von Wolfgang Brückner. Frankfurt am Main: Kramer.</p>","<p class="bodytext">Goltz, Reinhard/Martin Schröder (1997): <i>Eck vertäll miene Jeschichte</i>: plattdeutsche Alltagserzählungen aus Ostpreußen. (Schriftenreihe der Kommission für ostdeutsche Volkskunde 75.) Marburg: Elwert.</p>","<p class="bodytext">Grimme, Hubert (1922): Plattdeutsche Mundarten. Zweite, durchgesehene Auflage. (Sammlung Göschen 461.) Berlin/Leipzig: De Gruyter.</p>","<p class="bodytext">Hertel, Ludwig (1888): Die Salzunger Mundart. Meiningen: Keyßner.</p>","<p class="bodytext">HNWB = Hessen-Nassauisches Volkswörterbuch (1943–). Aus den von Ferdinand Wrede angelegten und verwalteten Sammlungen ausgewählt und verwaltet von Luise Berthold, fortgesetzt von Hans Friebertshäuser und Heinrich J. Dingeldein. Marburg: Elwert.</p>","<p class="bodytext">Jörgensen, Peter (1928): Formenlehre der dithmarsischen Mundart (mit Berücksichtigung der Sprache Klaus Groths). In: Teuthonista 5: 2–38.</p>","<p class="bodytext">Jørgensen, Peter (1934): Die dithmarsische Mundart von Klaus Groths „Quickborn”: Lautlehre, Formenlehe und Glossar. Kopenhagen: Levin &amp; Munksgaard.</p>","<p class="bodytext">Kehrein, Joseph (1860): Volkssprache und Volkssitte im Herzogthum Nassau. Weilburg: Lanz.</p>","<p class="bodytext">Krogh, Steffen (2001): Das Ostjiddische im Sprachkontakt: Deutsch im Spannungsfeld zwischen Semitisch und Slavisch. (Beihefte zum Language and Culture Atlas of Ashkenazic Jewry 3.) Tübingen: Niemeyer.</p>","<p class="bodytext">Müller, Horst (1958): Hintersteinau, Kreis Schlüchtern. (Lautbibliothek der deutschen Mundarten 4/5.) Göttingen: Vandenhoeck &amp; Ruprecht.</p>","<p class="bodytext">Niebaum, Hermann (1973): Die niederdeutschen Mundarten: zur Formengeographie. In: Goossens, Jan (Hg.): Niederdeutsche Sprache und Literatur: eine Einführung. Band 1: Sprache: 158–174. Neumünster: Wachholtz.</p>","<p class="bodytext">Paul, Hermann (2007): Mittelhochdeutsche Grammatik. 25. Auflage, neu bearbeitet von Thomas Klein, Hans Joachim Solms und Klaus-Peter Wegera, mit einer Syntax von Ingeborg Schröbler, neubearbeitet und erweitert von Heinz-Peter Prell. Tübingen: Niemeyer.</p>","<p class="bodytext">Preußisches Wörterbuch (1981–2005). Deutsche Mundarten Ost- und Westpreußens. Begründet von Erhard Riemann, fortgeführt von Ulrich Tolksdorf, herausgegeben von Reinhard Goltz. Neumünster: Wachholtz.</p>","<p class="bodytext">Schirmunski, Viktor M. (1962): Deutsche Mundartkunde: vergleichende Laut- und Formenlehre der deutschen Mundarten. Aus dem Russischen übersetzt und wissenschaftlich bearbeitet von Wolfgang Fleischer. Berlin: Akademie.</p>","<p class="bodytext">Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch (1927–1935). Herausgegeben von Otto Mensing. Neumünster: Wachholtz.</p>","<p class="bodytext">Stangel, Ursula (2015): Form und Funktion der Reflexiva in österreichischen Varietäten des Bairischen. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik Beihefte 161.) Stuttgart: Steiner.</p>","<p class="bodytext">WA: Sprachatlas des Deutschen Reichs: Georg Wenkers handgezeichnetes Original.</p>","<p class="bodytext">Weldner, Heinrich (1991): Die Mundart von Barchfeld an der Werra. (Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik Beihefte 68.) Stuttgart: Steiner.</p>","<p class="bodytext">Wenker, Georg ([1877–1911] 2013): Schriften zum Sprachatlas des Deutschen Reichs: Gesamtausgabe. Band 2: Handschriften: Kartenkommentare 1898–1911. Druckschriften: Veröffentlichungen 1877–1895. Herausgegeben und bearbeitet von Alfred Lameli unter Mitarbeit von Johanna Heil und Constanze Wellendorf. (Deutsche Dialektgeographie 111.2.) Hildesheim et. al.: Georg Olms.</p>","<p class="bodytext">ZW = Zwirner-Korpus. IDS. Datenbank für Gesprochenes Deutsch (DGD2). [URL: <a href="http://dgd.ids-mannheim.de/" target="_blank">dgd.ids-mannheim.de</a>]</p>",""],"verteilung":"<p class="bodytext">Die Angaben zur arealen Verbreitung, die sich aus der Literatur ergeben, sind nicht völlig deckungsgleich. Nach Berndt (1912: 10–12) ist <i>sich</i> bei einem Subjekt der 1. Person Plural v.a. im mitteldeutschen und ostfränkischen Gebiet verbreitet, doch werden auch Belege aus weiteren Regionen (u.a. aus dem bairischen Gebiet) angeführt. Behaghel (1923: 304–305), der Betreuer von Berndts (1912) Dissertation, gibt eine ähnliche Verbreitungsangabe und führt außerdem ältere schriftliche Belege an, u.a. aus Texten des in Gelnhausen geborenen und aufgewachsenen Grimmelshausen, bei dem Einflüsse aus hessischen Varietäten durchaus denkbar sind. Schirmunski (1962: 452) nennt neben westmitteldeutschen Dialekten auch Gebiete im Ostmitteldeutschen (Leipzig, Ruhla) und Nürnberg. Nach Stangel (2015: 105) ist das Phänomen in mittelbairischen Varietäten Österreichs verbreitet. </p><p class="bodytext">In bestimmten nordniederdeutschen, niederpreußischen und – außerhalb der deutschen Dialekte – ostjiddischen Varietäten scheint wie oben diskutiert&nbsp; eine Ausdehnung auf weitere Personen stattgefunden zu haben. Im Dithmarsischen ist die ausgedehnte Verwendung von <i>sich</i> nach den Beschreibungen von Grimme 1922: (118–119) und Jørgensen (1934: 101) auf die 1. und 2. Person Plural beschränkt. Laut Schleswig-Holsteinischem Wörterbuch (IV: 492) ist <i>sich</i> in der 1. Person Plural seltener als in der 2. Person Plural und besonders häufig im Imperativ Plural (dagegen erwähnt Jörgensen 1928: 17 nur die 2. Person Plural). Auch für Dialekte im östlichen Ostpreußen ist laut Preußischem Wörterbuch (V: 648) <i>sich</i> „verstreut” in der 1. und 2. Person Plural belegt, jedoch nicht darüber hinaus. Die in (4) angeführten niederpreußischen Belege zeigen damit übereinstimmend Pluralformen der 1. und 2. Person. Dagegen kommt in bestimmten ostjiddischen Varietäten (unter anderem im Nordostjiddischen, den in Litauen und Weißrussland verbreiteten Dialekten) die umfassende Generalisierung von <i>sich</i> auf sämtliche Personen, also auch auf die 1. und 2. Person Singular, vor (vgl. Krogh 2001: 51–52). In anderen ostjiddischen Dialekten, unter anderem dem in Polen beheimateten Zentraljiddisch, findet sich dagegen ein anderes System: Hier wurde <i>sich</i>, wie in den meisten deutschen Mundarten, die eine Generalisierung von <i>sich</i> überhaupt kennen, nur auf die 1. Person Plural ausgedehnt (vgl. Krogh 2001: 52). </p><p class="bodytext">Für die Mundarten Hessens (und angrenzender Gebiete) wird <i>sich</i> bei einem Subjekt der 1. Person Plural in den Wörterbüchern (HNWB III:&nbsp;585, FFWB: 2911) und in der grammatischen Literatur (u.a. Kehrein 1860: 29 für Nassau, Hertel 1888:&nbsp;130 für Salzungen, Dellit 1913: 157 für Kleinschmalkalden, Weldner 1991: 155 für Barchfeld an der Werra) erwähnt. Laut Hessen-Nassauischem Volkswörterbuch (HNWB III:&nbsp;585) tritt dieses Phänomen vor allem „im Südwesten unseres Gebiets” auf: Genannt werden Nassau (ohne den südlichsten Teil) und Oberhessen ohne Friedberg sowie die Kreise Hanau, Gelnhausen, Schlüchtern, Gersfeld, Marburg, Kirchhain und der Ort Kleinschmalkalden. Für das Bearbeitungsgebiet des Hessen-Nassauischen Volkswörterbuchs wurde die areale Verbreitung in einer Fragebogen-Frage thematisiert (vgl. HNWB III: 85). Die Verwendung von <i>sich</i> in der 1. Person Plural steht unter einem gewissen Druck: Laut HNWB (III: 85) wird stattdessen das Personalpronomen der 1. Person Plural verwendet („Mehrfach steht am Einzelort jüngeres <i>uns</i> neben älterem <i>s</i>[<i>ich</i>]”).&nbsp; </p>","pdfname":"SyHD-atlas_2017_Reflexivpronomen_sich.pdf"}}